Kein lautes Hämmern und keine kreischende Kreissäge störten den Feiertagsfrieden, aber akustische Späne flogen zuhauf – beim "Werkstattkonzert", zu dem das Orchester der Neuapostolischen Kirche Berlin-Brandenburg geladen hatte. In der Kirche Berlin-Charlottenburg gaben die Musikerinnen und Musiker am Sonntag, 3. Juni 2012, einen kurzweiligen Einblick in ihre Probenarbeit.
"Nein, das Forte war zu schnell!" Mit dem Taktstock in der Rechten winkt Orchesterleiter Volker Hedtfeld ab und von einer Sekunde auf die andere verhallt Mozart im Raum. "Da müssen wir nochmal ran", konstatiert der 34-jährige, fährt sich mit der Hand durchs lockige Haar und blickt über seine Musiker hinweg ins Publikum: "Wissen Sie, das haben wir schon bei der Probe gestern festgestellt – wir spielen das Piano zu ängstlich und das Forte zu schnell."
Willkommen in der Werkstatt: "Hören Sie mal, was Mozart hier mit seinem Thema macht – vom jabadam-jabadam-jaba-dibi – bleibt am Ende nur noch ein dibi übrig." Vor dem Dirigenten liegt Mozarts 40. Sinfonie in g-moll: "Die haben Sie alle schon mal gehört, ganz sicher – entweder auf der Stereoanlage, im Konzert oder als Klingelton auf dem Handy." Und der Blick in die Zuhörerreihen bestätigt: Hier wird kein musikalisches Neuland betreten. Bekannte Klänge, zufriedene Gesichter.
Der Klangteppich fürs Thema
Rund 100 "Zaungäste" sind zur öffentlichen Probe erschienen, um den etwa 40 Orchestermusikern bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen. Doch sie bekommen mehr als dies, denn Volker Hedtfeld nutzt die Gelegenheit auch, um die Werke zu erläutern, die vor den Spielern auf den Notenpulten ausgebreitet sind: "Die Bratschen spielen in dieser Sinfonie am Anfang eine enorm wichtige Rolle – sie sind der Klangteppich fürs Thema – hören Sie mal!"
Takt für Takt lassen sich die Zuhörer mitnehmen, hinein in die sinfonische Welt Wolfgang Amadeus Mozarts. Immer wieder spenden sie Szenenapplaus. "Wir sind dankbar, dass sie so schnell klatschen – aber ich hätte da noch zwei, drei Stellen, die ich gern nochmal üben würde, wenn es recht ist", sagt Volker Hedtfeld an einer Stelle.
"Ein bisschen Adrenalin muss sein"
Das zweite Stück des Nachmittags ist ein geistliches zeitgenössisches Werk, das stilistisch allerdings eher romantisch angelegt ist: Eine Orchesterfantasie des Dortmunder Komponisten Gustav Kilmer über das Kirchenlied "Zu dem Berg der Seligkeiten". "Das haben wir bei unserer Probe gestern noch nicht angefasst – wir werden das jetzt also ungeübt durchspielen", verrät Volker Hedtfeld. "Ich dachte mir, ein bisschen Adrenalin muss ja sein." Und so baden Orchester und Publikum kurz darauf in breit schmachtenden Streicherklängen, auch hier versehen mit Wissenswertem zu Werk und Aufführungspraxis.
Nach anderthalb Stunden ein letzter Beifall für die gewährten Einblicke. "Wären wir in einer Töpferwerkstatt würde ich sagen: Wir haben Ihnen gezeigt, wie weit wir mit dem Werkstück schon sind – aber bis wir es ausstellen, müssen Sie sich noch bis zum Konzert im Oktober gedulden."
thg
Weitere Eindrücke des Werkstattkonzerts finden sie auf der Internetseite des Orchesters.