Insgesamt nahmen rund 1100 Amtsträger an dem Gottesdienst teil

Mauern niederreißen, Gräben zuschütten, Brücken aufbauen

20 Jahre nach der Wiedervereinigung der früheren Gebietskirchen Berlin-Ost und Berlin-West hat Bezirksapostel Wolfgang Nadolny die Gemeinden zu besonderer Versöhnungsbereitschaft aufgerufen. In einem Schreiben an die Gemeinden, das er im Gottesdienst für Amtsträger am Sonntag, 15. Januar 2012 verlas, stellte er das begonnene Jahr unter das Motto: "Reißt Mauern nieder, schüttet Gräben zu, baut Brücken auf".

Die durch den Mauerbau entstandenen zwei Gebietskirchen Berlin-Ost und Berlin-West waren am 5. Januar 1992 wiedervereinigt worden. Die Zusammenführung vollzog der damalige Stammapostel Richard Fehr in einem Festgottesdienst in der Kirche Berlin-Lichtenberg. Bezirksapostel Nadolny zitierte aus dessen Predigt von vor 20 Jahren: "Wenn zwei Bezirke, die Jahrzehnte getrennt waren, zuvor jedoch einen Bezirk bildeten, nach so langen Jahren wieder zusammengefügt werden, hätten wir es nicht schöner ausdrücken können als im gemeinsam gesungenen Lied 'Herz und Herz, vereint zusammen, sucht in Gottes Herzen Ruh! Lasset eure Liebesflammen lodern auf den Heiland zu!'"

Bezirksapostel Nadolny verwies in seinem vorgelesenen Brief darauf, dass der Prozess des Zusammenwachsens nicht schmerzfrei gewesen sei. "Durch die Teilung Deutschlands und speziell Berlins haben sich über die drei Jahrzehnte hinweg Unterschiede herausgebildet, nicht nur allgemein-gesellschaftlich, sondern auch innerhalb unserer Kirche." Diese Unterschiede hätten nicht in differierenden Glaubenshaltungen oder trennenden Lehraussagen bestanden, sondern vor allem "auf der ganz normalen menschlichen – und damit zutiefst irdischen – Ebene", bedingt durch Prägung, Erziehung und das jeweilige gesellschaftliche Umfeld. Trotzdem habe sich die Gebietskirche – "durch den gemeinsamen Blick auf unseren Heiland Jesus Christus und das Bemühen, einander verstehen zu wollen" – gut entwickelt. Er zitierte Psalm 65: "Du machst fröhlich, was da lebet im Osten wie im Westen" (aus Vers 9). Gott schenke Freude und Fröhlichkeit, "es ist an uns sie anzunehmen".

Meist ganz normale zwischenmenschliche Konflikte

Dies bedeute jedoch nicht, sich mit bestehenden Konflikten in den Gemeinden abzugeben – auch wenn diese seiner Erfahrung nach kaum noch eine Folge der Trennung oder des Prozesses des Zusammenwachsens seien. "Es sind meist ganz normale zwischenmenschliche Konflikte, die sich aber emotional zu trennenden Mauern oder Gräben entwickeln können", so der Bezirksapostel.

Anlässlich des 20. Jahrestages stellte er das Jahr 2012 unter den auffordernden Dreiklang: "Reißt Mauern nieder, schüttet Gräben zu, baut Brücken auf!" Die Gemeinden sollten in den kommenden Monaten der Frage nachgehen, wo noch Mauern oder Gräben bestünden und es an Brücken mangele. "Ich rufe die Gemeinden dazu auf, sich mit diesen Fragen intensiv auseinanderzusetzen. Eure Apostel, Bischöfe, Bezirksämter und Gemeindevorsteher werden euch darin gern unterstützen." Dies müsse nicht unbedingt eine weitere Aufgabe für die  Amtsträger sein. "Sucht in eurer Gemeinde Brüder und/oder Schwestern, die befähigt sind in Absprache mit dem Vorsteher und Bezirksvorsteher eine Versammlung zu leiten und einen Gesprächskreis zu moderieren", empfahl er.

Kirchenneubau fast finanziert

Für den im vergangenen Jahr gegebenen Impuls unter dem Motto "10 ... mehr" zog er im Gottesdienst ein positive Bilanz. Ihn hätten aus den Gemeinden viele schöne Reaktionen erreicht: "Man ist ins Gespräch gekommen, hat sich ausgetauscht und damit den Glauben gestärkt". Das habe sich erfreulicherweise auch im Opfer ausgedrückt, also den freiwilligen Spenden, die die Kirchenmitglieder geben. Der Aufruf für einen Kirchenneubau in Brieselang zu spenden, habe mehr als 315.000 Euro eingebracht. Anlässlich des Erntedanktages seien zudem über 380.000 Euro in die Opferkästen der Gemeinden gelegt oder an die Kirche überwiesen worden. "Damit ist der Kirchenneubau fast finanziert", zeigte sich der Bezirksapostel erfreut. "Dafür bin ich sehr, sehr dankbar."

Der folgenden Predigt lag ein Teil des 100. Psalms zugrunde: "Jauchzet dem Herrn, alle Welt! Dienet dem Herrn mit Freuden, kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken! Erkennet, dass der Herr Gott ist!" (Ps 100, aus 1–3) Der Schlüssel zum Jauchzen und zur Freude liege im letzten Satz des zitierten Wortes verborgen: Wer sich einen Blick für die Schönheit der irdischen und geistlichen Schöpfung bewahre, erkenne, was für "ein großartiger, lieber Gott und gnädiger Vater der Herr" sei. "Schauen wir auf das Schöne, schauen wir darauf, dass der Herr Gott ist. Dann blicken wir vorwärts – bei allen Lasten und Konflikten."

Warnung vor "Heilsegoismus"

Mit Freuden zu dienen, bedeutet nach Aussage des Bezirksapostels auch, dies die Gemeindemitglieder spüren zu lassen. "Wenn wir sie im Gottesdienst nur abkanzeln, dann laufen sie aus der Kirche – und ob sie dann wiederkommen? Wir wollen sie in die Arme nehmen. Sie sollen spüren: Hier werden sie geliebt." Dabei stünden Liebe und Zuwendung nicht im Widerspruch zu ermahnenden Worten, wo sie nötig seien.

Abschließend stellte der Bezirksapostel noch die Frage nach der Motivation des Dienstes in der Kirche: "Warum dienen wir? Dienen wir um des Lohnes Willen, auf ewig beim Herrn zu sein?" Wenn dies die einzige Motivation wäre, sei dies "Heilsegoismus". Im Vordergrund sollten stattdessen die Freude, die Liebe zu den Anvertrauten und die Sehnsucht nach Gott stehen.

Zwei Bezirksevangelisten ordiniert

Am Ende des Gottesdienstes ordinierte der Bezirksapostel noch zwei bisherige Hirten und Gemeindevorsteher als Bezirksevangelisten für die Kirchenbezirke Berlin-Süd und -Ost. Sie sollen übergangsweise ihre Vorsteheraufgabe weiter wahrnehmen, sind nun aber vornehmlich für ihren jeweiligen gesamten Bezirk im Einsatz.

Insgesamt nahmen rund 1100 Amtsträger in der Kirche Berlin-Lichtenberg an dem Gottesdienst teil.

thg

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