Auf dem Weg zum Tagungsort

"Immer wieder prüfen, was heilsnotwendig ist"

Mit einem klaren Bekenntnis zum apostolischen Profil der Kirche ist am Sonntag, 19. Oktober 2014, in Berlin die Internationale Bezirksapostelversammlung zu Ende gegangen. In seiner Predigt erteilte Stammapostel Jean-Luc Schneider allen Begehren nach Veränderung der Kirche, die an die Grundfesten des Glaubensbekenntnisses rührten, eine Absage. Gleichzeitig betonte er, dass die Kirche dort ihre Auffassungen und Traditionen anpassen müsse, wo diese nicht heilsnotwendig seien. Der Gottesdienst in der Kirche Berlin-Lichtenberg, der in viele weitere Gemeinden in der Gebietskirche übertragen wurde, bildete den Höhepunkt der fünftägigen Herbsttagung, zu der Stammapostel Schneider mit 19 Bezirksaposteln und Bezirksapostelhelfern aus aller Welt in der deutschen Hauptstadt zusammengekommen war.

Gottesdienste am Ende von Apostelkonferenzen fühlen sich anders an als andere. Sie haben ihr besonderes atmosphärisches Gepräge. Noch dazu, wenn es fast 30 führende Geistliche aus allen Teilen der Welt sind, die da zusammenkommen. Das ist auch diesmal in Berlin zu spüren, schon nach den ersten Worten Jean-Luc Schneiders am Altar der Lichtenberger Kirche. Hinter ihm und den anderen Aposteln liegen fünf Tage intensivster Gemeinschaft – und damit auch der gegenseitigen Vergewisserung: Das Werk, an dem man steht, in dessen Dienst man als Apostel sein ganzes Leben gestellt hat, die Kirche Christi, ruht noch immer in Gottes Hand.

Und so passt es gut ins Bild, dass Stammapostel Schneider in seiner Predigt den Blick vor allem auf die Grundlagen des Glaubens richtet. Zügig kommt er auf die Bekenntnisse der Kirche zu sprechen, auf die altkirchlichen – das Apostolikum und das Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel –, aber dann auch auf die zehn Glaubensartikel der Neuapostolischen Kirche, die auf den alten Zeugnissen gründen. "Wir glauben an den dreieinigen Gott und dabei bleibt es. Wir glauben, dass man nur durch Jesus Christus Heil empfangen kann und dass die Kirche Christi dafür unerlässlich ist. Wir glauben an das Apostelamt, an die Sakramente und an das Kommen des Herrn", zählt er entlang der Glaubensartikel auf.

"Wenn ihr so weitermacht, sind eure Kirchen in ein paar Jahren leer"

Als Ausgangspunkt für seine Ausführungen hat er eine Bibelstelle aus der Johannes-Offenbarung gewählt, ein "altbekanntes, in der neuapostolischen Welt sehr beliebtes Wort", wie er es einordnet: "Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben." (Offb 2,10b) Es ist der Begriff der Treue, der ihn zu den Bekenntnissen führt. Denn Treue drücke sich in einem beständigen, zeitlich unbegrenzten und bedingungslosen Festhalten an den Bekenntnissen des Glaubens aus, einem Festhalten "trotz allen Leids, aller Bedrängnisse, aller Schwierigkeiten". "Wir bleiben beständig im Glauben, auch wenn Gott jetzt nicht hilft, auch wenn es uns schlecht geht und wir Gottes Hilfe nicht erfahren", gibt er als Maßstab vor – und zeigt kurz darauf, dass dieser nicht nur für den persönlichen Glauben gilt, sondern auch für die Kirche insgesamt.

"Heut sagt man uns: Ihr könnt doch so nicht weitermachen, der christliche Glaube passt doch nicht mehr in die Zeit. Wenn ihr so weiter macht, sind eure Kirchen in ein paar Jahren leer", zeichnet er das Bild einer Kirche, die in Verteidigungshaltung geraten ist. In der westlichen Welt werde die Kirche bedrängt zu erklären, dass "Jesus Christus nicht der einzige Weg zum Heil" sei, in Afrika würden "mehr Wunder, mehr Spektakuläres" erwartet. "Und auf der anderen Seite stehen wir: das Apostolat. Und der Heilige Geist zeigt uns: Der Segen liegt auf dem Gehorsam", hält er dagegen. "Wir glauben, dass Gott den Gehorsam segnen wird, deshalb bleiben wir beim Glaubensbekenntnis." Und er fügt hinzu: "Wir sind überzeugt dass diese Treue gesegnet wird, auch wenn kein Mensch, auch wir nicht, versteht, wie das gehen soll."

"Viele Auffassungen, viele Traditionen müssen angepasst werden"

Eine Haltung, die der Stammapostel allerdings nicht als ein Erstarren der Kirche verstanden wissen will. Weshalb er betont, gehorsam zu sein bedeute nicht, dass sich nichts ändern dürfe. "Im Gegenteil! Viele Auffassungen, viele Traditionen müssen angepasst werden." Aufgabe der Apostel sei es, immer wieder zu prüfen, was heilsnotwendig sei, zum Bekenntnis passe. "Alles, was nichts damit zu tun hat, müssen wir verändern. Das ist die Verantwortung des Apostolats."

Gleichzeitig betont er einmal mehr, dass sich die Neuapostolische Kirche nicht als eine exklusive Kirche verstehe. "Ich kann nur immer wieder auffordern, dass wir uns mit den altkirchlichen Bekenntnissen beschäftigen. Die haben wir gemeinsam mit allen anderen Christen. Darin steht, dass Gott uns alle in die Gemeinschaft mit ihm führen will, nach dem Endgericht. Wenn man uns also immer wieder sagen will: 'Ihr seid so exklusiv', dann können wir nur sagen: Habt ihr mal das alte Bekenntnis gelesen? Also, bitte! Wir sprechen niemandem das Heil ab!" Allerdings seien "wir berufen, heute schon und im Tausendjährigen Friedensreich eine Hilfe zu sein für die Menschen", damit sie zu Christus fänden. "Unsere Berufung ist aber keine Exklusivität, keine Krone, die man uns jetzt schon aufsetzt. Wir sind nur Werkzeuge in der Hand Gottes."

Ordination und Ruhesetzung von Bischöfen neu geregelt

Um kurz vor zwölf ist der Gottesdienst vorüber, ein letztes Gruppenbild vor dem Altar, dann treten die meisten Apostel nach einem Mittagsessen die Heimreisen an – im Gepäck nicht nur das geistliche Wort des Vormittags und die Beratungsergebnisse von dreieinhalb Konferenztagen, sondern auch ein paar Berlin-Fragmente. Denn am Samstag hatte nach bilateralen Gesprächen der Bezirksapostel mit dem Stammapostel auch  eine Stadtbesichtigungstour auf dem Programm gestanden. Neben dem Brandenburger Tor und dem in der Nähe befindlichen Holocaust-Mahnmal war insbesondere die vor 25 Jahren überwundene Teilung der Stadt Thema der Tour. Bei einer Fahrt durch die beiden Stadtzentren entlang des Mauerstreifens hatte man zum Beispiel auch an der East-Side-Galery, dem längsten noch erhaltenen Stück der Berliner Mauer, Halt gemacht.

Donnerstag und Freitag war in großer Runde getagt worden. Unter anderem befasste sich die Bezirksapostelversammlung mit dem Amtsverständnis der Kirche. Nach längerer Diskussion beschließen die Bezirksapostel unter anderem, Ordination und Ruhesetzung von Bischöfen neu zu regeln. War es bislang üblich, dass der Stammapostel diese Handlungen vollzog, so delegiert er diese Aufgabe nun ab 2015 an den jeweils zuständigen Bezirksapostel, weil diese "ihre Bischöfe viel besser kennen" würden als er. Außerdem habe er gehört, so der Stammapostel, dass die meisten Bischöfe eine Ruhesetzung durch ihren Bezirksapostel in ihrem Arbeitsbereich bevorzugen würden.

Kulturelles Highlight des Berliner Treffens war am Freitagabend ein Konzert in der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt unter dem Motto "Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist". Ein weiteres Kultureinsprengsel erwartete die Berlin-Besucher am Samstagabend am Fuße des Fernsehturms. Dort trat ein russischer Folklorechor auf, der an diesem Wochenende drei Konzerte in Berlin gab, bevor es galt den Ausblick in luftiger Höhe zu genießen.

"Wir haben Berlin genossen und uns hier sehr wohl gefühlt", resümiert der Stammapostel am Sonntag. Und er, der Franzose Jean-Luc Schneider, dankt den Berlinern für ihr – "wie man so schön auf deutsch sagt" – Engagement.

Impressionen vom Gottesdienst finden Sie in unserer Bildergalerie.

Fotos: dru, jel

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