Auch in diesem Jahr lud Bezirksapostel Wolfgang Nadolny die Amtsträger der Gebietskirche Berlin-Brandenburg zu einem gemeinsamen Gottesdienst in die Kirche Berlin-Lichtenberg ein. In seiner Predigt warb der Leiter der Gebietskirche am Sonntag, 24. Januar, für Gemeindearbeit mit geistlicher Qualität und darum, sich von Rückzugstendenzen des Christentums in Europa nicht entmutigen zu lassen.
Grundlage der Predigt des Bezirksapostels vor den rund 1100 Gottesdienstteilnehmern war das Senfkorngleichnis Jesu, wie es sich unter anderem im Lukas-Evangelium findet (Lk 13,18-19). Darin vergleicht Jesus das Reich Gottes mit einem Senfkorn, aus dem ein Baum wächst, in dessen Zweigen sich Vögel einnisten.
Auch das Christentum habe einmal klein wie ein Senfkorn angefangen, so der Bezirksapostel. "Am Anfang war dieser Zimmermannssohn am hintersten Zipfel des römischen Imperiums, in Galiläa. Ein Senfkorn war das, von der Weltöffentlichkeit unbeobachtet." Heute sei das Christentum zu einer Weltreligion gewachsen und auch die Neuapostolische Kirche in vielen Ländern vertreten. Im Hinblick auf den sich derzeit in Europa vollziehenden Schrumpfungsprozess des Christentums, stellte der Bezirksapostel jedoch die Frage, ob ausschließlich quantitatives Wachstum der richtige Maßstab sei. "Ich kann mich noch gut erinnern, als es in der Kirche hieß: Jetzt sind wir eine Million, jetzt fünf Millionen ... - aber ist das allein wirklich gemeint, wenn im Bibelwort vom Wachsen die Rede ist?"
Wachstum ist Sache Gottes
Zur Antwort verwies der Bezirksapostel auf ein Wort aus dem Markus-Evangelium, das verdeutliche, dass der Mensch zwar säe, Wachstum letztlich aber Sache Gottes sei. Auch das Wachstum in einer Gemeinde könne nur Gott geben. Dies bedeute aber nicht, dass das Bemühen um Zuwachs verzichtbar sei. "Wir suchen selbstverständlich Seelen, die bereit sind, das Evangelium anzunehmen." Wie in der Natur, sei es auch hier Aufgabe des Menschen "Wachstumsbedingungen zu optimieren, den Boden aufzulockern, zu düngen, zu gießen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Boden bereitet ist und dass Saatgut ausgestreut wird."
Wie bei einem Baum komme es auch in der Gemeinde auf das Wurzelwerk an, führte der Bezirksapostel weiter aus. "Wenn man einen Samen in die Erde legt, wird die Samenhülle zuerst vom Wurzelkeim durchbrochen – es geht in die Tiefe, erst danach kommt der Trieb nach oben." Für den christlichen Glauben bedeute dies: "Es mag sein, dass das Christentum, dass unsere Kirche in Europa derzeit ein wenig auf dem Rückzug ist - aber wenn die Grundlage stimmt, wenn die Wurzel da ist, dann geht das vorüber." Als zentrale Wurzel des Glaubens definierte der Bezirksapostel "die Anbetung der Majestät Gottes, nichts anderes. Dieses Staunende, dieses vor dem allmächtigen Gott Niederfallende, das ist die Hauptwurzel."
"Was für ein Baum ist deine Gemeinde?"
Des Weiteren stellte der Bezirksapostel Bezüge zwischen den Eigenschaften eines Baumes und den Gemeinden her. So seien Bäume unter anderem Schattenspender und Windschutz, wiesen Staub ab und verbesserten die Luft. "Was für ein Baum ist dein und mein Herz? Was für ein Baum ist unsere Gemeinde? Was für ein Baum ist die Gebietskirche Berlin-Brandenburg?", fragte er die Amtsträger. "Nimmt unser Baum Feuchtigkeit auf, um sie zur Verfügung zu haben, wenn es heiß wird? Sind unsere Gemeinden so, dass sie in der Trockenheit einer lieblosen Umgebung ein Klima bieten, wo man sich wohlfühlt?"
In diesem Sinne sollten Gemeinden auch "Schattenspender" sein, wenn "die Hitze des Tages" - dazu zählten etwa Konkurrenzdruck und Mobbing am Arbeitsplatz - komme. "Weisen wir wie ein Baum auch Staub ab?", fragte der Bezirksapostel weiter. "Wenn der Baum einer Gemeinde gesund ist, weist er die Sünde ab - nicht den Sünder. Dann merkt die Seele, hier ist eine Gemeinschaft, wo der Staub des Alltags nicht herein kommt."
Seelsorgearbeit nicht vernachlässigen
Eindringlich bat der Bezirksapostel darum, die Seelsorgearbeit in den Gemeinden nicht zu vernachlässigen. Wenn es Probleme im Beruf gebe, werde manchem Amtsträger sein Amt zur Last und es gebe das Bedürfnis nach einer Auszeit. Eines werde dabei aus seiner Sicht mitunter vergessen, so der Bezirksapostel: "Wer hat dich und mich bis hierher gesegnet? War das nicht Gott? Hat er nicht alles gegeben, was wir haben dürfen?"
Gleichzeitig appellierte er an die Amtsträger sich ihres geistlichen Auftrags bewusst zu sein. "Wenn sich unsere Amtstätigkeit darauf beschränkt, den Chor zu dirigieren, Musik zu machen, Gemeindefeste und den Brunch nach dem Gottesdienst zu organisieren, dann ist das eigentlich zu wenig." Alle diese Dinge müssten sein, dürften aber nicht als einzige Beschäftigung eines Amtsträger übrigbleiben.
Auch für die Ausübung des Amtes gelte: Entscheidend sei nicht die Quantität. "Ich bitte euch, beschäftigt euch mit der Frage: Welche Qualität hat meine Seelesorgearbeit, welche Qualität haben meine Gebete? Nicht die Masse macht es. Mancher rennt hin und her und alle sagen: Ach, ist das ein fleißiger Amtsträger! Aber wenn man genau hinsieht, bleibt er nur an der Oberfläche."
Bezirksevangelist ordiniert
Weitere Predigtbeiträge kamen in diesem Gottesdienst von dem für Russland zuständigen Bezirksapostelhelfer Viktor Bezgans, Apostel Klaus Katens, Bischof Harald Bias sowie dem Vorsteher des Kirchenbezirks Brandenburg, Bezirkältesten Gunter Volland.
Am Ende des Gottesdienstes wurde der Vorsteher der Gemeinde Berlin-Charlottenburg, Thomas Krack, zum Bezirksevangelisten ordiniert. Der Bezirksapostel betonte in seiner Ansprache den geistlichen Charakter des Amtes und hob die intensive Tätigkeit des bisherigen Hirten in der Musikarbeit der Gebietskirche, unter anderem als Dirigent des Berliner Schulchors, hervor. Auch die geistliche Bedeutung der Musik in der Kirche solle durch das Amt betont werden. Deshalb bleibe der künftige Bezirksevangelist auch Gemeindevorsteher und sei mehr der Gebietskirche insgesamt als dem Kirchenbezirk Berlin-Nordwest zugeordnet.
thg