Konzentriert geht es durch die mozartschen Klänge

Orchester und Projektchor musizierten in der Gethsemanekirche

Nach 2010 und 2012 war es bereits das dritte Mal, dass das Orchester der Gebietskirche Berlin-Brandenburg mit seinem Dirigenten Volker Hedtfeld in der Gethsemanekirche konzertierte. Auch diesmal war wieder ein Chor dabei, eigens gegründet für dieses Projekt. Zu hören waren am17. November, dem Volkstrauertag, 2013 das Requiem Wolfgang Amadeus Mozarts in d-Moll. Doch bevor Solisten, Chor und Orchester die Liturgie des Trauergottesdienstes musizierten kam im ersten Teil noch die „Große g-Moll“ des alten Meisters zu Gehör.

Es sind die lockeren, wohligen Klänge der Streicher, die die mehr als 740 Zuhörer am Sonntagabend direkt in ihren Bann ziehen. Mozarts Sinfonie in g-Moll, bekannt, beliebt und berühmt – da weiß man direkt, was einen erwartet. Die Töne scheinen an den Rippenbögen der Kirche empor zu steigen ins Gewölbe, von wo aus sie als Akkorde zurück kehren und sich klanglich vermischen. Schon setzt die Querflöte ein, die Klarinette, die Oboe. Und es scheint bekannt und vertraut, was die 50 zumeist jungen Instrumentalisten vortragen. Satzweise geht es durch die Sinfonie, die Mozart 1788 in einem wahren Arbeitsmarathon kurz nach dem Tod seiner Tochter Theresia schuf. Vielleicht kommt die Musik deshalb so melancholisch, so rastlos daher. Die Musiker führen den Zuhörer durch Molto Allegro und Andante. Im Menuetto wird es ruhiger, ja es scheint sogar eine Art Entspannung zu geben, als es ins Trio geht. Ruhige Bewegungen gestalten die Linie, Holzbläser, Streicher und Hörner einen melodiösen Wechselgesang. Das Allegro Assai bringt dann die mozartsche Ruhelosigkeit wieder zurück. Nach einer kurzen Pause tritt das Orchester gemeinsam mit 74 Sängerinnen und Sängern des Projektchores auf.

Mozart Requiem in d-Moll – Die heilige Messe zum Gedenken an die Verstorbenen

„Da der Tod, genau zu nehmen, der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freund des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild nicht allein nichts Schreckliches mehr für mich hat, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes“, schreibt Mozart im Frühjahr 1787 an seinen kranken Vater. Diese Lebenseinstellung spiegelt sich in seinem Requiem an vielen Stellen wieder. Geschrieben im düsteren d-Moll sind neben fragenden Elementen auch Seufzer, Verzweiflung, der Wunsch nach Frieden aber auch seine Hoffnung auf das ewige Licht vertont. Es ist eine besondere Form eines Gottesdienstes, die Liturgie für eine Trauerfeier, die er 1791 beginnt zu vertonen und nie zu Ende führen wird. Und er schafft eine meisterhafte Grundlage für die musikalische Umsetzung durch das Orchester und den Projektchor. Ein Tongemälde, das von ewiger Ruhe der menschlichen Seele bei Gott bis zu den Flammen der Hölle am Tage des Zorns all das zeigt, was sich in Mozarts Seele während verschiedener Lebensphasen angesammelt haben mag.

Über dem gedämpften Puls der Streicher, den Schritten eines Trauerzuges vergleichbar, erhebt sich die Klage der Holzbläser. Ein Gefühl der Würde, ein inniger Moment erfüllt während des Introitus den Raum. Dann füllt ein gewaltiger Chorklang die Kirche: „Et lux perpetua luceat eis“ – die Bitte um ewiges Licht für die Verstorbenen.

Dramatische Abgründe und die Bitte um Schonung

Nach der Kurie schildert Mozart in der Sequenz die düstere und bedrohliche Seite des Lebens und Sterbens in aller Dramatik. Die Musiker zeichnen das Bild der Flammen, der Abgründe der Hölle, das Erzittern am Tag der Rache – und sie reißen den Zuhörer förmlich mit in diese musikalische Welt. Erschrocken fährt der Konzertbesucher im Dies irae zusammen. Mozart entfesselt die Kräfte auf musikalische Art: Der Tag des Zorns, der das All in Staub auflöst, bricht im wahrsten Sinne des Wortes mit Pauken und Trompeten und rasenden Streichern herein. Und so geht es weiter durch bildhafte Klänge: Demut wird genauso dargestellt wie das Flehen um Güte und Milde. Im Lacrimosa, dem letzten von Mozart selbst komponierten Teil des Werkes, stehen Klage, Trauer, Tränen und die Suche nach Trost im Mittelpunkt. Der Chor stammelt die Bitte um Schonung des Menschen förmlich und endet dann aber mit einem kraftvollen „Amen“. Voller Elan meistern Chor, Orchester und die sechs Solisten Julia Spencker, Verena Traub-Walcher, Michael Netzker, Stephan Einbacher, Martin Loges und Jonas Hagen Olejniczak die liturgischen Teile des Requiems. Sie alle wirken konzentriert - doch nie verspannt, immer engagiert – doch nie brutal. Das Requiem, nein Mozart fordert alle Energie.

Ein diffuses Ende mit offenen Fragen

Zu Ende geführt hat das Werk Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayr. Und als nach weiteren fünf Liturgieteilen das Lux aeterna, die Bitte um das ewige Licht, an den Anfang des Werkes zurück führt, endet an diesem Abend ein emotionales Chaos in einem Schlussakkord, der viele Deutungen möglich macht, ja letztlich den Zuhörer mit seinen Fragen allein lässt: die letzten langsamen Adagio-Takte schließen weder in Dur noch in Moll. Am Ende gibt es tosenden Applaus, der Minuten anhält. „Danke euch allen! Es war wunderbar!“, meldet sich eine Besucherin noch aus der Kirche via Handy und Facebook. Auf den Gesichtern im Chor und im Orchester ist Erschöpfung, vor allem aber die Erleichterung zu sehen, das gute Gefühl: jede Investition in die Übungsarbeit hat sich gelohnt.

Für das Orchester war es nicht der erste Besuch in der traditionsreichen Gethsemanekirche im Stadtteil Berlin-Prenzlauer Berg. Bereits im Sommer 2010 und zu Weihnachten 2012 konzertierten die Musiker hier, unter anderem mit dem renommierten Berliner Karl-Foster-Chor. Und eine Wiederholung des Konzertes wird es auch diesmal wieder geben: Am 23. November 2013 in der Reformationskirche in Berlin-Moabit.

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Text: jel
Fotos: dru

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