Von Mittwoch, 17. April bis Montag, 22. April 2013 war Bezirksältester Thomas Härm in Tadschikistan. Neben dem deutschen Kirchenbezirk Eberswalde betreut er in den ehemaligen Staaten der GUS vor allem die Länder Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Er berichtet von seiner letzten Reise, Auszüge haben wir für Sie zusammengefasst.
17.04.13
Ich fliege wie immer über Istanbul. Die Flüge verlaufen normal, die Maschine nach Duschanbe ist sehr voll und unterwegs gibt es noch einen riesen Schreck. Die meisten schlafen, als nach 3 Stunden plötzlich das Flugzeug blitzartig nach unten fällt. Alle kreischen und die Maschine windet sich und trudelt ein wenig, aber dann ist alles wieder gut und stabilisiert sich. In der Ansage zu den Turbulenzen versucht der Pilot zu erklären, was passiert war, aber so richtig überzeugend klingt das nicht. Wichtig für mich ist – Danke, himmlischer Vater, für den Engelschutz.
18.04.13
Ich lande um 4:10 Uhr in Duschanbe - ehe ich meinen Koffer habe, ist es dann mittlerweile 5:30 Uhr und ich werde von unserem Evangelisten Kretov herzlich begrüßt. Im reservierten Hotel ist zu unserer Überraschung kein Zimmer frei. Ich versuche es mit allen Mitteln, aber wir bekommen kein Zimmer. Also fahren wir in ein anderes Hotel und dort ist auch ein Zimmer frei und ich kann mich erst einmal ein wenig „ausstrecken“. Nach ein paar Stunden Schlaf und einem kleinen Mittagsimbiss fliegen wir gemeinsam mit unserer Dolmetscherin Ljuba nach Chudschand. Dieses Mal fliegen wir mit Somon-Air in einer Boing und es ist deutlich komfortabler und sogar noch preiswerter als mit der alten russischen AN24. Die Tickets hat unser Evangelist per Internet und Kreditkarte gebucht.
Nach 45 Minuten Flug empfangen uns unser Priester Suworow und Abdushalilow. Wir checken im Hotel ein und treffen uns dann noch im Haus unseres Priesters Abdushalilow zu einem Abendessen. Die Kinder erwarten uns freudig und wir erzählen die neuesten Neuigkeiten, die Zeit vergeht wie im Fluge und wir begeben uns zur Nachtruhe.
19.04.13
Heut feiern wir um 10 Uhr Gottesdienst in den Räumlichkeiten des Invalidenvereins. Priester Abdushalilow hat dort eine Zwischenwand errichtet und einen Altar gebaut und ich muss sagen: das ist wirklich sehr schön geworden. Es sind schon viele Leute dort und es werden immer mehr. Selbst der letzte Stuhl wird noch besetzt und dann kommt während des Eingangsliedes noch ein Gast und so muss unser Diakon stehen. 45 Personen sind anwesend – davon 29 Gäste. Einige Geschwister, die lange nicht im Gottesdienst waren, sind auch gekommen. Heute hat der Gottesdienst noch ein besonderes Gepräge. Unser Diakon Belitschenko und seine Frau dürfen das Fest der Silberhochzeit feiern. Als ich mich mit diesem Tag beschäftigte fiel mein Blick auf Psalm 34,9 und 10: „Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist. Wohl dem, der auf ihn trauet! Fürchtet den HERRN, ihr seine Heiligen! Denn die ihn fürchten, haben keinen Mangel.“ Ich verwende dieses Wort für den Gottesdienst. Immer wieder können wir sehen, wie groß, allmächtig, wunderbar und freundlich unser Gott ist – wenn wir die Augen nicht verschließen. Aber wir wollen beim „Sehen“ nicht stehenbleiben, sondern schmecken, fühlen, spüren – ja in uns aufnehmen, was der Herr an Großartigem bereitet. Dann spende ich den Segen zur Silberhochzeit und anschließend klatscht die ganze Gemeinde spontan. Nach dem Gottesdienst nutze ich die Zeit noch für ein Informationsgespräch über unseren Glauben. Ich erkläre auch unser Verständnis zum Heiligen Abendmahl und zum Ablauf.
Nach dem Gottesdienst beantworte ich noch Fragen. Dann gibt es für die Mitglieder des Invalidenvereins Mittagstisch, den NAK karitativ monatlich fördert. Wenn man diese armen Menschen sieht, wie sie mit aufgerissenen Augen dieses warme Essen erhalten, dann wird man ganz still und dankbar und schämt sich auch für den Wohlstand, indem wir leben. Für viele ist es seit langem die erste warme Mahlzeit. Ich spreche noch kurz mit dem Leiter des Invalidenvereins und bedanke mich für die angenehme Zusammenarbeit.
Um 15 Uhr ist Ämterstunde in der Wohnung von Priester Suworow. Wir sind insgesamt fünf Amtsträger mit mir. Ich verwende die Gedanken unseres Bezirksapostels aus Apostelgeschichte 1, aus 8 zu unserem Zeugenstand. Anschließend spreche ich noch allein mit unserem Priester Abdushalilow über den derzeitigen Stand in seiner Familie und die Zukunft. Drei Kinder, Schulgeld, Kindergarten etc. seien nicht einfach zu finanzieren. Oft erhalte man keinen Lohn, sondern nur Essen für den Tag. So lässt sich eine Familie natürlich sehr schwer ernähren. Wir machen noch einen Abschiedsbesuch im Hause Abdushalilow und dann geht es zum Flughafen. Der Flug verspätet sich um eine Stunde. Ich nutze noch die Gelegenheit einem Italiener diese Auskunft auf Englisch zu vermitteln und erzähle ihm, weshalb ich in Chudschand war. Er kennt die Neuapostolische Kirche nicht, so gebe ich ihm einige Informationen mit. Nach nur 35 Minuten Flug kommen wir wieder in Duschanbe an.
20.04.13
Heute wollen wir zuerst nach Wachdat ins Altersheim fahren. Das Heim wird gerade aufgelöst und alle werden auf andere Heime verteilt. Einige sollen nach Batosch kommen, dort wollen wir dann anschließend hinfahren und noch unseren ehemaligen Diakon Viktor Samula in Tursunsade besuchen. Um 10 Uhr ist unser Evangelist am Hotel, aber als wir es wieder verlassen ist die Straße gesperrt. Wir sehen, wie jede Menge Schüler und Jugendliche auf der Straße rennen und erfahren, dass heute ein Marathonlauf stattfindet. Das wusste niemand und nun kommen wir nicht aus dem Hotel. Also erledigen wir erst die finanziellen Dinge. Für unser NAK karitativ Projekt in Tschkalowsk ist noch der Kauf einer Klimaanlage und eines Notstromaggregates genehmigt. Nachdem wir das Hotel verlassen können, ändern wir den Plan und fahren nach Batosch. Während wir auf unsere Dolmetscherin warten, frage ich unseren Evangelisten, wie er sein Leben hier fände. Er öffnet sich und berichtet, dass es eigentlich sehr gut ist, sie aber jetzt öfter die Gedanken haben, wo sie die Kinder zur Schule schicken. Es gäbe nur noch wenige russische Schulen und diese seien überfüllt. So hätten sie schon darüber nachgedacht, dass seine Frau mit den Kindern nach Russland ginge und er hier bleibe. Dort könnten sie in eine russische Schule gehen und vernünftig Lernen. Die Gegebenheiten dazu sind wohl in Tadschikistan mehr als fraglich. Ich bin sehr überrascht und versuche ihm natürlich klar zu machen, dass das auch mit vielen Entbehrungen verbunden ist. Unsere Dolmetscherin kommt mit dem Taxi zu einem vereinbarten Treffpunkt und berichtet aufgeregt, wie der Taxifahrer über Bürgersteige und Grünflächen gefahren sei, damit er durchkommt. Nun machen wir uns gemeinsam auf den Weg. Kurz hinter der Stadtgrenze ist eine Baustelle und die ganze Straße wurde entfernt, so dass nur noch eine Geröllpiste mit riesigen Löchern übrig geblieben ist. Zu meiner Überraschung erzählt unser Evangelist, dass das bis Tursunsade so geht, 60 Kilometer hin und zurück. Na das kann ja etwas werden!
Nach einem wirklich anstrengenden „Ritt“ kommen wir in Tursunsade an und machen einen Besuch bei Familie Samula. Nach einem langen Gespräch fahren wir nach Batosch ins Altenheim. Dieses Heim liegt an einem kleinen Fluss mitten im Grünen. Alles ist sehr sauber und ordentlich. Gegenüber dem Heim in Wachdat ist es ein Paradies! Wir erhalten Einlass und suchen sogleich die Administration auf und erklären, weshalb wir hier sind. Man hilft uns sehr freundlich alle Geschwister aus Wachdat zusammenzurufen und wir versammeln uns in einem Zimmer. Es sind bereits 6 Geschwister und 2 Gäste dort, einige sind in ein Heim im Süden des Landes gekommen und nur eine Schwester ist noch in Wachdat. Nun wissen wir auch, warum wir morgens nicht nach Wachdat fahren sollten. Die eine Schwester können wir morgen nach dem Gottesdienst noch besuchen.
Die Wiedersehensfreude mit den Geschwistern ist unbeschreiblich. Tränen fließen, Hände werden geschüttelt und man umarmt sich. Sie wussten nicht, wie es weitergehen sollte. Ob wir sie wohl finden würden? Oder möglicherweise vergessen? Es berührt mich sehr, mit welcher Freude und Bewegung die Geschwister uns in Empfang nehmen. Solche Augenblicke sind aller Mühe wert! Wir beten miteinander um ein gutes Einleben und die Versorgung an Leib, Seele und Geist. Leider ist die Direktorin nicht anwesend, wir wollten besprechen wann wir Gottesdienst feiern können. Wir erhalten aber eine Telefonnummer und unser Evangelist kann am Montag Kontakt aufnehmen und die ersten Schritte besprechen. Dann besuchen wir noch eine Schwester, die in Isolation untergebracht ist. Sie erkennt niemanden und ist sehr verstört. Als sie uns sieht fängt sie vor Freude an zu weinen und ruft uns beim Namen. Die Krankenschwestern sind sehr verwundert über die Änderung ihres Zustandes. Wir sprechen kurz miteinander und versprechen wiederzukommen. Dann machen wir uns auf den Rückweg. Die Straße ist nicht besser geworden, aber wir ermuntern uns gegenseitig durchzuhalten und so erreichen wir am Abend dankbar Duschanbe.
21.04.13
Heute haben sich 23 Geschwister und drei Gäste zum Gottesdienst in Duschanbe versammelt. Einige Geschwister aus Tursunsade sind auch gekommen. Ein besonderer Höhepunkt ist die Taufe der kleinen Valeria Kretov. Die anderen Kinder setzen wir auf die erste Reihe, damit sie auch alles gut mitbekommen können. Sie sind sehr aufmerksam und ich verwende viele Beispiele, die sie gut verstehen. Als Wort dient zunächst Apostelgeschichte 7, 60 – der Ausruf des Stephanus vor seinem Tod. Wir wollen auch unerschrocken unseres Glaubens leben, trotz Anfechtung, Verfolgung und Spott und ebenso vergebungsbereit sein wie Stephanus. Dazu muss uns die Kraft des Heiligen Geistes erfüllen und wir von unserem Glauben durchdrungen und erfüllt sein. Dann können wir im Gottesdienst einen offenen Himmel erleben und Gott und Jesus Christus ganz nahe sein. Stephanus war ja einer der ersten Diakone und so greife ich das Thema gleich auf und spreche im Gottesdienst auch unsere jungen Brüder auf die Mitarbeit an, denn unser Evangelist ist zurzeit ganz allein. Seine Brüder Artjom und Simijon sind nach Russland gefahren, um Arbeit zu suchen.
Dann wende ich mich an die Tauf-Eltern. Sie haben ja schon Erfahrungen, denn es ist das dritte Kind. Ich beziehe auch die anderen beiden Kinder mit ein. Sie sind sehr aufmerksam und artig. Der Täufling schläft und erschrickt nur wenig als ich ihn taufe. Es ist große Freude in der Gemeinde über das Kindchen. Nach dem Gottesdienst lade ich die Jugend noch zu einer Jugendstunde am Abend ein. Einen der jungen Brüder spreche ich an, ob er uns zum Gottesdienst nach Wachdat begleitet. Er sagt zu und so machen wir uns mit Orgelspielerin und Dolmetscherin auf den Weg. Unterwegs gibt es noch einen kleinen Mittagsimbiss. In Wachdat sind wir die ersten. Es ist noch alles verschlossen. Es kommen auch wenig Geschwister, aber dann sind wir doch noch 11 Geschwister und ein Gast. Ich diene noch einmal mit dem Wort aus Psalm 34, was ich schon in Tschkalowsk verwendet habe.
Auf der Rückfahrt rede ich mit unserem Bruder, der uns begleitet hat über das Diakonenamt. Er ist aufmerksam und antwortet sehr aufgeschlossen. Er will sich damit auseinandersetzen und sich auch gern miteinbringen. Probleme mit seiner Umgebung bezüglich seines Glaubens sieht er nicht – er wirkt darin sehr souverän. Er berichtet auch, dass er zu einer Schulung für Plastikfenster in Moskau war, sich dort mit Awas (unserem ehemaligen Priester) verabredet hat und sie gemeinsam den Gottesdienst dort besuchten. Das bestärkt mich darin, dass er der richtige Mann ist – ein anderer hätte möglicherweise diese Mühe nicht auf sich genommen und in Moskau die Kirche besucht.
In Duschanbe zurück treffen wir uns zur Jugendstunde bei mir vor dem Hotel. Das Wetter ist so schön, dass wir draußen im Garten zusammensitzen. Bei Pizza und Getränken sprechen wir über das Thema „Glauben lieben, leben, teilen“ sprechen. Auch hier in Tadschikistan ist ein Rückgang der Gottesdienstbesucher zu verzeichnen und wir überlegen gemeinsam, wie wir das aufhalten können. Viele Ideen werden geäußert und alles mündet dann in ein konkretes Projekt. Wir möchten gern Ende August mit der Jugend zu einem tadschikischen Jugendtreffen zusammenkommen. Jeder lädt einige Freunde ein und wir fahren gemeinsam nach Tschkalowsk an den Kairakkumstausee. Dort können wir auch unsere einzige Jugendliche Mascha mit einbeziehen. Die Jugend will sich auf Theaterstücke und Lieder vorbereiten, die wir dann der Gemeinde und den Gästen im Invalidenheim vortragen. Dann will die Jugend bei der Taschkalowsker Tafel mithelfen und bedienen sowie das Gebäude putzen. Es soll auch geistliche Themen in der Art eines Workshops geben.
Wir gehen glücklich auseinander und ich bin dankbar, dass es hier doch eine schöne Jugendgruppe gibt. Es waren heute ohne mich und Dolmetscher 7 Jugendliche und es fehlten noch einige. Dann packe ich meine Koffer und versuche noch ein wenig zu schlafen. Gegen 3:45 Uhr holt mich unser Evangelist ab und bringt mich zum Flughafen.
22.04.13
Die Rückreise verläuft planmäßig. Auf dem Flughafen in Duschanbe wird immer noch gebaut. Deshalb gibt es nur manuelle Bordkarten und das Ticket nach Berlin bekomme ich am Transitschalter in Istanbul. 1,5 Stunden stehen wir dann in einer Schlange um durch Zoll und Passkontrolle zu kommen. Wieder geht eine segensreiche Reise mit viel Inhalt zu Ende. Wieder konnte ich die Hilfe Gottes erleben. Trotz mancher Schwierigkeiten - auch in diesem Land - trägt uns die Überzeugung: „Gott ist mit uns!“
Die Gemeinden in Tadschikistan existieren seit ca. 1992. Fast 100 Glaubensgeschwister nehmen zum Teil bis zu 60 Kilometer weite Wege auf sich, um in den Gottesdienst zu gehen. Ein Gemeindeevangelist, drei Priester und zwei Diakone betreuen die Gemeinden vor Ort. Etwa zweimal im Jahr reist Bezirksälteste Härm in das von ihm betreute Gebiet. Weitere Brüder unterstützen ihn bei dieser Aufgabe.
TH/jel