Afrika - mitten in Berlin

Nur ein paar Schritte bis Afrika? Mitten in Berlin? Was klingt, als sei es aus einem Science-Fiction-Drehbuch, ist in Berlin-Wilmersdorf real: Parallel zur neuapostolischen Gemeinde im großen Kirchensaal feiert eine Gruppe afrikanischer Gläubiger "ihren" Gottesdienst ein paar Schritte entfernt im Obergeschoss. Die afrikanische Gemeinde ist eine Gemeinde in der Gemeinde. Sonntäglich feiern hier zirka 30 Personen Gottesdienst. Predigtsprache ist portugiesisch.

An diesem Sonntagmorgen sind fast 40 Personen in dem kleinen Saal versammelt. Bischof Harald Bias besucht an Palmsonntag die Gemeinde. Die Stimmung ist ausgelassen, sechs junge Frauen umrahmen den Gottesdienst mit ihrem Gesang - mal in englischer Sprache, dann wieder in einer der Landessprachen. Sie singen von Gottes Liebe und Gnade, von seiner Zuwendung. Das ist auch Thema des Gottesdienstes. Jesus Christus zieht auf einer jungen Eselin in Jerusalem ein. Er wird als neuer König empfangen, Palmen und Kleider liegen auf der Straße. Was an Palmsonntag noch mit Halleluja-Rufen gefeiert wird, wird kurz darauf umschlagen. Das vormals jubelnde Volk wird ihn verspotten, verhöhnen, schlagen und schließlich umbringen.

Das Lied zu Beginn des Gottesdienstes wird auch hier von der Orgel begleitet. "Kehr ein, o Herr, kehr ein", singen die Gottesdienstbesucher. Ganz hinten sitzt ein etwa 12jähriges Mädchen mit langen, dunklen Rasterlocken. Mit dem Zeigefinger fährt sie die Zeilen entlang, denn neben ihr sitzt ein etwa gleichaltes blondes Mädchen, dass der portugiesischen Sprache im Gesangbuch nur mühsam folgen kann. Hilfsbereitschaft wird hier großgeschrieben, das sieht man, als während des Gottesdienstes ein kleiner Junge immer wieder von einer Person zur anderen gereicht wird. Völlig unaufgeregt und mit großer Ruhe wird ihm hier die Geborgenheit vermittelt, die ihn Gottesdienst ruhig erleben lässt. Als dieser vorbei ist bricht sich das afrikanische Temperament Bahn. Das gemeinsame Schlusslied wird kurzerhand zum bekannten "Ameni", dann ziehen die Gottesdienstbesucher an den Priestern vorbei zum Ausgang - um sich in dem kleinen Vorraum lebhaft zu unterhalten.

Die afrikanische Gemeinde ist seit etwa 1995 in Berlin-Wilmersdorf zu Hause, erzählt Priester Moises Mvuama. Die Wurzeln reichen jedoch bis in die 1980er Jahre, als afrikanische Gastarbeiter in der ehemaligen DDR mit der Neuapostolischen Kirche in Kontakt kommen. Damals überwiegend aus Mozambique und Angola stammend, kommt heute die Mehrheit der Gläubigen aus Angola und der Republik Kongo. Sie seien eine sehr offene Gemeinschaft, eine Community, erzählt Priester Moises, wie ihn hier alle nennen, weiter und über die gesamte Stadt verteilt. Wer aus Afrika komme, käme früher oder später auch mit der afrikanischen Gemeinde in Kontakt, egal, ob er geflüchtet sei oder in Berlin arbeite. Überhaupt sei der überkonfessionelle Zusammenhalt in Afrika sehr stark. So feierten Christen dort unabhängig von der eigenen Zugehörigkeit zu einer Kirche gemeinsam christliche Feste, wie zum Beispiel den Friedenstag. Das wirke sich auch hier in Berlin positiv aus. Genau wie die gute Zusammenarbeit mit den Botschaften, deren Mitarbeiter oft froh seien, die Landsleute an Seelsorger vermitteln zu können. "Wir sind aktiv und anerkannt", erzählt er mir nicht ohne Stolz. Und so seien auch in jedem Gottesdienst Gäste aus anderen Kirchen. "Konfessionelle Grenzen spielen dabei keine Rolle", sagt er. "Wir kennen uns eben."

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