Stammapostel Schneider in der Lichtenberger Kirche

Stammapostel Schneider in Berlin: "Gott hat dich nicht vergessen"

Am Sonntag, 14. Februar 2016 besuchte Stammapostel Jean-Luc Schneider die Gebietskirche Berlin-Brandenburg. Im Rahmen eines Gottesdienstes in der Kirche Lichtenberg setzte er den langjährigen Berliner Apostel Hans-Jürgen Berndt in den Ruhestand.  Begleitet wurde das Kirchenoberhaupt von Bezirksapostel Markus Fehlbaum (Schweiz) sowie den Aposteln Anatolij Budnyk (Ukraine) und Jörg Steinbrenner (Norddeutschland).

Und wieder eine Visite in Berlin. Es ist die siebte für den 56-jährigen Jean-Luc Schneider, seit er Pfingsten 2013 in das höchste Amt der Neuapostolischen Kirche ordiniert wurde. In großen und kleinen Kirchenschiffen der Hauptstadt hat er schon gepredigt. In Weißensee und Wilmersdorf, in Zehlendorf und Schöneberg. Und diesmal wieder: das Großformat. Lichtenberg. Rund 1500 Gläubige direkt vor dem Altar und in Nebenräumen, noch vier Mal so viele sind angeschlossen per Übertragung an 70 weiteren Gemeindestandorten. Insgesamt werden mehr als 8100 Gottesdienstteilnehmer registriert.

Ob allerdings an die hundert oder ein paar tausend Gläubige vor ihm sitzen, macht für ihn augenscheinlich kaum einen Unterschied. Er wirkt stets gleich temperiert. Auch an diesem Morgen zeigt er sich in der ihm eigenen Gelassenheit. Mal mit dem leichten Lächeln, das seine Mundwinkel umspielt, mal mit der scharfen Falte zwischen den Augenbrauen, wenn er ernst wird. Den Blick charakteristisch im steten Wechsel zwischen Gemeinde und Blumengesteck vor ihm, predigt er nicht nur mit der Stimme, sondern auch mit den Händen, bewegt sie gefaltet auf und ab, malt Kreise und Linien in die Luft um seine Worte zu unterstreichen.

"Das sind Schwierigkeiten, die andere nicht kennen"

Die erzählen auch an diesem Morgen etwas von dem felsenfesten Glauben, der den ranghöchsten neuapostolischen Geistlichen beseelt und ohne den man in diesem Amt wohl nicht bestehen könnte. Worte, die im Subtext den Gläubigen immer wieder zu sagen scheinen: Was macht ihr es euch so schwer? Es ist doch so einfach! – Um dann aber doch darauf einzugehen, warum es mitunter beschwerlich sein kann, den Glauben hochzuhalten.

Diesmal ist es ein Paulus-Wort aus dem zweiten Korintherbrief, an dem Jean-Luc Schneider durchdekliniert, was Glauben bedeuten kann. "Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott." (2. Korinther 1, 3–4) "Er hat uns Mut gemacht", wird Bezirksapostel Markus Fehlbaum später in einem ergänzenden Predigtbeitrag für sich resümieren.

Es ist ein mehrdimensionales "Trost-Programm", das Stammapostel Schneider aus dem Bibelwort ableitet und der großen Gemeinde mit auf den Weg gibt. Wobei er in das scheinbar selbsterklärende paulinische Wort noch eine zusätzliche Ebene einzieht: Für den gläubigen Christen gehe es nicht nur um Trost in schwierigen Lebenslagen, wie sie auch andere Mensch erlebten. Es gehe darüber hinaus darum, trotz Trübsal und Bedrängnis den Glauben festzuhalten. "Das macht die Sache ein bisschen kompliziert, das sind Schwierigkeiten, die andere nicht kennen", sagt er.  "Wir haben nicht nur die Sorgen, sondern müssen auch noch bemüht sein, Gott treu zu bleiben."

"Wenn Gott eine Prüfung zulässt, gibt er dir einen Auftrag"

Der Trost Gottes sei schmerzlindernd, helfe, stärke und biete die Perspektive, dass Gott schließlich die Menschheit vom Leid erlösen werde, legt Stammapostel Schneider das Bibelwort aus. Schmerzlindernd sei dabei, dass der Heilige Geist immer auf Jesus Christus verweise: "Gott hat seinen Sohn geliebt, trotzdem musste Jesus kämpfen und leiden. Wenn es dir also jetzt schlecht geht, hab keine Sorge. Gott hat dich nicht vergessen, nicht verlassen oder verworfen. Er liebt dich wie er seinen Sohn geliebt hat, als er noch auf Erden war."

Zum Umgang mit Leid hält er an diesem Morgen einen kleinen Exkurs bereit über einen zentralen Begriff des Glaubens: Wie hält es der Christ mit dem Kreuz? Es heiße oft, Gott lege jemandem "ein Kreuz" auf. Von der Schwere der Last in schwierigen Lebensverhältnissen sei dann oft die Rede. "Ich kann das nachvollziehen", sagt Jean-Luc Schneider – um dann aber den Gläubigen zu eröffnen: "Ich sehe das anders." Nicht Last, nicht Kreuz, sondern Aufgabe sollte es sein, wenn man mit Leid und Schwierigkeiten konfrontiert sei. "Wenn Gott eine Prüfung zulässt, gibt er dir einen Auftrag, den du erledigen sollst: Gott sagt, du sollst jetzt zu einem Segen werden, zu einem Vorbild für deinen Nächsten. Zeig uns mal, dass man Gott treu bleiben kann." Wenn man "die Prüfung" so sehe, helfe und stärke Gott den Leidenden.

"Kann man doch machen, oder?"

Den empfangenen Trost weiterzureichen, bedeute in der Folge, das Leid des Nächsten zu lindern, indem man in Fürbitte für ihn eintrete – und ihn vor allem nicht anklage: "Diese dumme Aussage: 'Bist ja selbst daran schuld!' Das hilft niemandem, das ist kein Trost. Wir lindern Schmerzen, in dem wir einfach zuhören und Anteilnehmen", empfiehlt das Kirchenoberhaupt unter anderem. Kurz darauf schließt er den Kreis zu seinem Rat, den er zuvor gab: Für den Nächsten sei es auch hilfreich, wenn man ihm sagte, dass er einem ein Vorbild sei, zu dem man aufschaue. Damit werde der Nächste daran erinnert, dass er ja als Leidender eine Aufgabe zu erfüllen habe. Und fast so, als fragte sich Stammapostel Schneider selbst für eine Sekunde, wie solche Bestärkung auf einen Betroffenen wirken könnte, fragt er rhetorisch die Gemeinde: "Kann man doch machen, oder?"

Die weiteren Prediger dieses Gottesdienstes liefern Praxisbeispiele zum Thema des Vormittags. Apostel Jörg Steinbrenner aus Hamburg berichtet von Fällen, in denen Gläubige auf harte Proben gestellt, Gebete nicht erhört wurden, Angehörige starben. "Was hilft uns in solchen Situationen an Trost? Da kann man nicht mehr viel sagen", hält er fest und gibt als Rat: "Auch wenn du Gott nicht verstehst, glaube weiter daran: Gott ist die Liebe."

"Wir brauchen dich so, wie du bist"

Apostel Hans-Jürgen Berndt berichtet von Leiderfahrungen im Kleinen, aus dem unmittelbaren Familienumfeld. Er erzählt von einem seiner Enkelkinder, das sich gerade die Hand gebrochen habe. Es sind persönliche Worte, passend zu diesem für ihn letzten Gottesdienst als aktiver Apostel. Nach fast 42 Amtsjahren, davon 23 als Apostel, geht für ihn an diesem Vormittag ein bedeutender Lebensabschnitt zu Ende. "Mein lieber Freund und Apostel, hiermit entbinde ich dich von der Aufgabe als Apostel und versetze dich in den wohlverdienten Ruhestand", zieht Stammapostel Schneider nach warmen Dankesworten schließlich den Schlussstrich unter das Wirken des 65-jährigen. "Ich lasse dir dein Herz, deinen Glauben, deine Gebetskraft. Die brauchen wir weiter. Wir brauchen weiterhin deine Liebe, wir brauchen dich so, wie du bist." Bezirksapostel Nadolny überreicht Blumen und dankt ebenfalls, sichtlich bewegt, "für alles, was wir miteinander erlebt und erkämpft haben".

"Fünf Buchstaben im Deutschen: Danke!"

So groß diese Zäsur für die Gebietskirche auch sein mag – es wird kein Nachfolger ordiniert, künftig gibt es nur noch einen Apostel –, im Gottesdienst bleibt die Zurruhesetzung nur eine Fußnote. Ein paar Worte, ein Händedruck, Blumen. Das hat neuapostolische Tradition. "Es fällt mir immer schwer, es ist so kurz und so viel kann man da nicht sagen", wendet sich Stammapostel Schneider überraschend noch einmal an die Gemeinde als Apostel Berndt bereits wieder Platz genommen hat. Fast um Entschuldigung bittend fügt er hinzu: "Ich hoffe, ihr spürt, dass in einem einfachen 'Danke' so viel liegt. Fünf Buchstaben im Deutschen: Danke!"

Dann noch das Schlussgebet und der strahlende Schlusspunkt von Chor und Orchester: "Ehre sei Gott in der Höhe" aus der Deutschen Messe von Franz Schubert. "Wenn die Franzosen in der Werbung sagen wollen, dass es ein gutes Produkt ist, sprechen sie von deutscher Qualität – das war jetzt Berliner Qualität", sagt Jean-Luc Schneider anerkennend zur Leistung der Musikschaffenden. Und verabschiedet sich lächelnd.

Weitere Bilder finden Sie in unserer Fotogalerie.

Text: thg / Fotos: DR

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