Eröffnung des Reformationsjubiläums in Berlin

Am Montag, 31. Oktober 2016 begann offiziell das Jubiläumsjahr der Reformation. Auftakt der Feierlichkeiten war ein Gottesdienst in der Berliner Marienkirche. Neben dem Berliner Bischof Markus Dröge nahmen auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, die Reformationsbotschafterin Margot Käßmann sowie zahlreiche Geistliche unterschiedlichster Konfessionen und Glaubensrichtungen und Politiker etlicher Parteien teil. Zum anschließenden Festakt im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt kamen mehr als 1000 Gäste aus Kirche, Kultur, Politik und Gesellschaft. Für die Neuapostolische Kirche nahm der Präsident der Gebietskirche Berlin-Brandenburg, Bezirksapostel Wolfgang Nadolny teil.

Luther habe nicht den "Masterplan zur Rettung der Welt geliefert", betonte Bischof Dröge in seiner Predigt. Dennoch komme es auf jeden Einzelnen an. "Auf den Mut, das Bestehende nicht einfach als gegeben hinzunehmen, sondern darauf zu vertrauen, dass Gott uns die Kraft zum Guten gibt." EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm sagte im Gottesdienst, von den Jubiläumsfeierlichkeiten solle ein Signal des Aufbruchs und der Versöhnung ausgehen. Kardinal Karl Lehmann, Mainzer Bischof und langjähriger Vorsitzender der katholischen deutschen Bischofskonferenz wurde mit der Matin-Luther-Medaille der EKD ausgezeichnet.

Von der Gnade Gottes

Bundespräsident Joachim Gauck, Hauptredner des Festaktes im Konzerthaus, würdigte die Reformation als "Initialzündung". Ohne sie seien weder die Freiheit des Glaubens noch die unveräußerlichen Grundrechte denkbar. "Die heutige Gestalt unseres Gemeinwesens ist ohne die christlichen Kirchen nicht denkbar", so Joachim Gauck in seiner Ansprache. .

Viele Menschen verstünden überhaupt nicht mehr, dass man sich fragen könne "Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?" Selbst die Frage, was nach dem Tod käme, sei für viele ungewöhnlich. Dabei sei jeder mündige Glaubende selbst und unvertretbar für seine Lebensentscheidungen verantwortlich. Es gelte eine individuelle Selbstverantwortung auch vor höchsten Instanzen. "Luthers alles andere überragende Erfahrung war, dass er allein durch die Gnade Gottes zu einem gerechten und guten Menschen werde", führte er weiter aus. Gnade sei damals ein zentrales, heute eher ein fremdes Wort. Dabei scheine ihm, "hätten wir gerade heute nichts so nötig wie Gnade. Gnade zuerst mit uns selbst, damit wir nicht vor immer neuer Selbsterfindung und Selbstoptimierung schließlich in verzweifelter Erschöpfung landen". Aber auch die Gnade mit den Mitmenschen, die fehlbare und unvollkommene Wesen seien "wie wir selber und von denen wir doch häufig Perfektion und reibungsloses Funktionieren erwarten." In der Gesellschaft mache sich von Internetforen bis hin zu politischen Debatten ein "Ungeist der Gnadenlosigkeit breit, des Niedermachens, der Selbstgerechtigkeit, der Verachtung, der für uns alle brandgefährlich ist.", so das Staatsoberhaupt. Luther dagegen habe die Erlösung des Menschen durch die Gnade Gottes gelehrt.

Persönliche Erfahrungen fehlen

Für viele sei der Glaube an Gott oder eine unverdiente himmlische Gnade "keine persönlich erfahrene Wirklichkeit mehr". Es brauche "Agenten der Entängstigung", des gelassenen Trotzes. Er wünsche sich daher, dass "sie hier und da Gnade von ihren Mitmenschen erfahren." Entscheidungen seien an das Gewissen des Individuums gebunden. "Ob die Stimme des Gewissens die Stimme Gottes ist, das ist eine Frage der persönlichen Glaubensüberzeugung. Aber auch ohne diese Überzeugung gehört es zu den großen menschlichen Schätzen, die von der Reformation nicht erfunden, aber neu zum Leuchten gebracht worden sind, dass nämlich der Einzelne im Letzten nur seinem Gewissen verantwortlich ist. Diese Bindung ans Gewissen macht frei - frei zu einem selbständigen, verantwortlichen, gewissenhaften Leben." Reformation sei deshalb eine aktuelle Herausforderung für das eigene Denken und Handeln. Sie entfalte Leidenschaft für Wahrheit und Freiheit gerade auch für Christen, "deren Kirche eine Reformation nie nur hinter sich, sondern immer auch vor sich hat."

Die Reformation

Gottesdienst und Festakt bildeten den Auftakt in die Feierlichkeiten anlässlich des 500jährigen Jubiläums der Reformation. Sie begann mit dem 31. Oktober 1517, an dem Martin Luther seine 95 Thesen an die Kirchentür zu Wittenberg geschlagen haben soll. Darin forderte er zu einer Diskussion über die Missstände in der damaligen Kirche auf. Es setzte daraufhin eine Erneuerungsbewegung in den Kirchen ein, das westliche Christentum spaltete sich in katholisch, lutherisch und reformiert auf. Die Reformation dauerte 150 Jahre, als ihr Abschluss wird allgemein der "Westfälische Friede" (1648) verstanden.

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